Der südkoreanische Samsung Chef Lee Jae-Yong prophezeite das baldige Ende des Smartphones! Für einen kurzen Moment sah es tatsächlich so aus, als könnte er Recht behalten. Eine heiße Spur führte diesbezüglich in die USA. Dort stellten im November 2023 die Humane Inc. CEOs Imran Chaudrhi und Bethany Bongiorno den AI Pin vor. Eine intelligente Brosche, die auf dem ersten Blick wirklich das Zeug dazu hatte, das Smartphone aus unseren Hosentaschen zu verbannen. Doch nach knapp zwei Jahren gilt das Projekt der beiden ehemaligen Apple-Entwickler als gescheitert.

Ein AI Pin? Was ist das genau?

Als das Start-up Humane Inc. Ende November 2023 in San Francisco den AI Pin vorgestellt hat, fragten sich einige Personen wahrscheinlich: Was ist das eigentlich für ein Gerät? Vielleicht eine Weiterentwicklung des Smartphones? Dieser Annahme hat der Präsident von Humane Inc. Imran Chaudri in seinem Präsentationsvideo einen Riegel vorgeschoben!

Dennoch gab es einige Indizien, die eine andere Sprache sprachen. Zwar bezeichnete er den AI Pin als eigenständiges Standalone-Gerät, welches kein Smartphone benötigt. Doch die Art und Weise, wie das Präsentationsvideo aufgebaut war und der Begriff Standalone-Gerät ließen darauf schließen, dass es als Smartphone-Konkurrent gedacht war.

Und diese Annahme wurde durch diese Aussage „was AI Pin ist” von Humane Inc. nochmals unterstrichen: „Eine Welt, in der wir die volle Kraft der KI überall hinnehmen und sie nahtlos in unser tägliches Leben einfügen können“. Klingt eigentlich ganz nach unserem treuen Alltagsbegleiter, dem Smartphone – nicht wahr?

Eine ziemlich kleine Brosche mit einer großen Menge Technologie

Optisch unterschieden sich die beiden Alltagsbegleiter jedoch vollständig voneinander! Der AI Pin war eine kleine Brosche, die an der Brust befestigt wird und mittels künstlicher Intelligenz, Mikrofon, Projektor, Lautsprecher und einer Kamera deinen Alltag erleichtern sollte. Zu Beginn schoss die verbaute Kamera ausschließlich gestochen scharfe Bilder, eine Videofunktion sollte zukünftig folgen.

Da der Anstecker nahezu ausschließlich über künstliche Intelligenz arbeitete, wundert es wohl niemanden, dass Humane Inc. gemeinsam mit den Entwicklern von ChatGPT das Betriebssystem „Cosmos“ entwickelte. Um sich mit der Außenwelt zu verbinden, war der AI Pin mit WLAN, Mobilfunk, GPS und Bluetooth ausgestattet.

Hier ein paar Zahlen, Daten und Fakten zum AI Pin:

  • Betriebssystem: Cosmos
  • Gewicht: 34 Gramm
  • Größe: 47 × 44,5 Millimeter groß und 15 Millimeter dick
  • Prozessor: Qualcomm Snapdragon 2,1 Gigahertz
  • Arbeitsspeicher: 4 GB
  • interne Speicherkapazität: 32 GB
  • Kamera: 13-Megapixel
  • erhältliche Farben: Schwarz, Silber, Weiß
AI Pin
© Humane Inc.

Mit welchen Funktionen glänzte der AI Pin?

Beim Blick auf die Funktionen war es wohl nur noch ein offenes Geheimnis, dass AI Pin zukünftig dem Smartphone den Rang ablaufen wollte! Die intelligente Brosche konnte von Starttermin auf an nahezu alle Aufgaben deines unersetzlichen Smartphones übernehmen, dazu zählten etwa:

  • Anrufe tätigen
  • Internetsuche
  • Fotoaufnahme
  • Medienwiedergabe
  • Sprachübersetzungen
  • Preise & Produkte im Internet suchen
  • Nachrichten zusammenfassen

© Humane Inc.

Gerade die Funktion „Nachrichten zusammenfassen” löste ein reales Problem in der heutigen Kommunikation. Wahrscheinlich kennst du das Problem selbst. Gerade an einem stressigen Arbeitstag ist es dir gar nicht möglich, regelmäßig auf dein Smartphone zu schauen. Das führt dazu, dass du entweder wichtige Nachrichten verpasst oder es dauert, diese im Nachgang zu lesen. Für dieses Problem verfügte der AI Pin über die Funktion „Catch me up“. Innerhalb weniger Sekunden durchforstete die KI deine wichtigsten Nachrichten und stellte dir eine kurze Zusammenfassung zur Verfügung.

Auch in puncto Ernährungstipps holte der Humane AI Pin zum Rundumschlag aus: Du konntest über ein spezielles Menü dem Gadget deine Ernährungsweise mitteilen. So konntest du beispielsweise bei deinem nächsten Einkauf Produkt XY in die Kamera halten und die Frage stellen: Passt das in meine Ernährung? Anhand der hinterlegten Informationen spuckte die KI entsprechende Handlungsempfehlungen aus.

Wie ließ sich das Gadget steuern?

AI Pin konnte auch über Gesten kommunizieren – ein Großteil der Kommunikation sollte jedoch über die Sprache erfolgen. Das funktionierte, indem du auf die Mitte des AI Pins drücktest und dem Gadget einen Sprachbefehl gabst. Die Antwort darauf erfolgte ebenfalls per Sprache. Humane Inc. legte den Nutzer:innen ans Herz, so zu sprechen wie mit einem Menschen.

Das weckte bei Fans aus dem Star-Trek-Universum sicherlich Erinnerungen. In der Kultserie aus den 70er-Jahren half der auf der linken Brustseite befindliche Communicator Badge Mr. Spock und seinem Team bei der Kommunikation. Über 50 Jahre später kam der AI Pin nun zumindest vorrübergehend auf unsere Welt.

Über den Projektor war es aber auch möglich, das „Laser Ink Display“ auf der Handfläche anzeigen zu lassen. Hier waren sogar Eingaben möglich. Dieses Display ermöglicht es den Nutzer:innen, sich über die aktuelle Uhrzeit oder Wetterbedingungen zu informieren und die Steuerung der Musikwiedergabe-App zu übernehmen. Indem du deine Handfläche neigtest, konntest du auswählen, die Bestätigung erfolgte durch das Zusammendrücken deines Daumens und Zeigefingers.

AI Pin
© Humane Inc.

Dank der KI konntest du sogar nach spezifischen Musikstücken suchen, wie CEO Imran Chaudhri in der Präsentation demonstrierte – etwa nach dem Lieblingsklassiker von Beethoven. Apropos Musik: Die Lautsprecher von AI Pin waren zwar so ausgerichtet, dass vor allem du als Nutzer:in in den Genuss des Klanges kamst. Hörtest du jedoch wichtige Nachrichten ab, konntest du die Brosche problemlos mit Wearables wie einem Bluetooth-Headset verbinden.

Der AI-Pin scheitert (eigentlich) schon zur Markteinführung

Noch zu Beginn sprachen Chaudri und seine Mitgründerin Bethany Bongiorno für den AI-Pin große Ziele aus. Er sollte die Kommunikation zwischen Mensch und KI fast ausschließlich über die Sprache ermöglichen. Doch schon der Startschuss für den AI-Pin lief alles andere als reibungslos ab. Erst kam das Gerät mit einer Verzögerung von mehreren Monaten im April 2024 auf den Markt, dann hagelte es auch noch massiv Kritik. Der populäre Youtuber Marques Brownlee teste kurz nach Markteinführung den AI-Pin und bezeichnete ihn als das schlechteste Produkt, das er je getestet habe.

Die Nachricht verbreite sich rasant, was wahrscheinlich auch auf die 19,8 Millionen Follower von Marques Brownlee zurückzuführen war. Aber auch andere amerikanische Tech-Journalisten ließen kein gutes Haar am AI-Pin und stießen auf jede Menge Probleme. Als Konsequenz dieses Desasters blieben die Verkaufszahlen niedrig. Ein Punkt, den auch Humane Inc. schnell bemerkte. Schon kurz nach der Einführung versuchten sie ihre Firma für eine Milliarde US-Dollar zu verkaufen. Für die Entwicklung sammelte das Unternehmen circa 230 Millionen US-Dollar von Investoren ein.

Was passiert mit den AI-Pins?

Es steht also fest: Der AI-Pin ist gescheitert und das Unternehmen stellte den Verkauf der Geräte auch bereits ein. Nicht nur für das Unternehmen selbst ist dies ärgerlich, sondern auch für die Nutzer:innen. Denn die Entwicklerfirma Humane teilte mit, dass die bisher verkauften Geräte nur noch bis Ende Februar funktionstüchtig waren. Alle Nutzerdaten wurden in der Nacht vom 28.02. auf 01.03. gelöscht.

Bekommen denn die Nutzer:innen wenigstens ihr Geld zurück? Tatsächlich bleibt ein Großteil der Käufer:innen auf den Ausgaben sitzen. Humane zahlt nämlich nur das Geld für ab dem 15.11. ausgelieferte Geräte zurück.

Ein kleines Happy End für das Unternehmen gibt es dennoch. Denn der Tech-Konzern HP kauft die Humane Inc. Corp. auf und übernimmt sogar einen Teil der Mitarbeiter:innen. Für umgerechnet 111,04 Millionen Euro erhält HP das Betriebssystem Cosmos OS. Ihr Ziel ist es, auf Grundlage des Betriebssystems das neue Innovationslabor HP IQ aufzubauen, heißt es.