Mehr als eine halbe Million Menschen in Österreich fühlt sich einsam, wie aus einer Studie der Caritas – in Zusammenarbeit mit dem SORA-Institut – hervorgeht. Grund dafür sind ein Mangel an sozialen Kontakten sowie das Fehlen eines Zugehörigkeitsgefühls zur Gesellschaft. Deshalb kooperieren Magenta und Caritas seit der Corona-Pandemie und versuchen mit vereinten Kräften, die Problematik der Einsamkeit in Österreich zu mildern.
Andauernde Krisen als treibende Kraft
Geschlossene Geschäfte und wochenlange Lockdowns: Zwar ist Einsamkeit schon seit geraumer Zeit ein gesellschaftliches Problem, die Corona-Pandemie hat die Situation allerdings weiter verschärft. Auch nach der Pandemie sorgen weitere Krisen, Kriege und die Inflation nicht unbedingt für eine Linderung der Problematik, sondern stellen vielmehr weitere Faktoren dar, die Einsamkeit begünstigen. In der Soziologie herrscht indes breiter Konsens: Neben Nahrung und Schlaf zählen auch soziale Kontakte und Beziehungen zu den Grundbedürfnissen eines Menschen. Ein Defizit am regelmäßigen Austausch mit anderen Personen sorgt somit nicht nur für Einsamkeit, sondern macht langfristig auch krank – mental wie körperlich.
Aus diesem Grund haben Caritas und Magenta im April 2020 eine Initiative ins Leben gerufen, die Menschen aus ganz Österreich miteinander verbindet – das Plaudernetz. Wer sich einsam fühlt und sich nach jemandem zum Reden sehnt, wird nach dem Zufallsprinzip mit freiwilligen Plauderpartner:innen verbunden – unkompliziert, anonym und vertraulich.
Wie funktioniert das Plaudernetz?
- Täglich von 10 bis 22 Uhr sind unter der Telefonnummer 05/1776-100 Menschen zum Plaudern füreinander da
- Nach dem Zufallsprinzip werden zwei Personen telefonisch miteinander verbunden; die eigene Nummer wird dabei anonymisiert
Seit 2020 über 1 Million Gesprächsminuten
Im April 2020 wurde das Plaudernetz ins Leben gerufen und hat seitdem einen großen Beitrag zur Linderung der Einsamkeitsproblematik in Österreich geleistet.
Plaudernetz mit World Summit Award Austria ausgezeichnet
Das Plaudernetz gewann beim großen World Summit Award Austria 2020 in der Kategorie „Government & Citizenship“.
Der Award wurde 2003 von Österreich als nationaler Beitrag zum UN-Weltgipfel für die Informationsgesellschaft als weltweite Initiative gegründet. Das Ziel ist, digitalen Content mit hohem gesellschaftlichen Mehrwert zu prämieren und weltweit bekannt zu machen. Durch die enge Kooperation mit Organisationen der Vereinten Nationen und die strategische Ausrichtung nach den UN SDG’s, ist der World Summit Award ein weltweit anerkanntes Qualitätssiegel für digitale Innovation und inhaltegetriebene Anwendungen.
Einsamkeit kann jede:n treffen
Zwar ist Einsamkeit keine Frage des Alters, dennoch treffen Gefühle der Einsamkeit ältere Personen häufiger – zumindest vor der Pandemie. Etwa die Hälfte der 60-69-Jährigen in Österreich fürchtete sich beispielsweise im Jahr 2017 vor zu wenigen Kontakten im fortschreitenden Alter. Der im Herbst 2023 veröffentlichte Austrian Health Report verdeutlicht aber, dass in den letzten Jahren auch verstärkt Personen unter 30 von Einsamkeit betroffen sind.
„Unterm Radar“: Studie unterstreicht prekäre Situation
Gemeinsam mit dem Sozialforschungsinstitut SORA hat die Caritas im Zeitraum von Dezember 2022 bis März 2023 eine großangelegte Studie durchgeführt, die die massive Armutssituation in Österreich illustriert. Über vier Monate hinweg wurden 400 Personen, repräsentativ für ganz Österreich, aus unterschiedlichen Altersgruppen und Gesellschaftsschichten befragt.
Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass es sich hierbei nicht um Einzelfälle handelt, sondern, dass Armut und Einsamkeit jede:n treffen kann – Pensionist:innen, Alleinerziehende, Großfamilien, ebenso wie junge Menschen. Nahezu 70 % der an der Umfrage teilnehmenden Personen waren in der Vergangenheit fest davon überzeugt, nie auf Sozialorganisationen wie die Caritas angewiesen sein zu werden. Gleichzeitig ist sich nun aber mehr als die Hälfte sicher, dass sie nicht nur aktuell Hilfe braucht, sondern auch in Zukunft Unterstützung benötigen wird. Mit 94 % kann sich der Großteil der Befragten aktuell kaum regelmäßige Freizeitaktivitäten leisten, zumal sich etwa drei Viertel der 400 Personen die eigenen vier Wände nur unzureichend warmhalten kann.
Rufe nach Reform werden lauter
Die Zahlen verdeutlichen, dass akuter Handlungsbedarf von Seiten der Politik besteht. Nicht nur die Befragten sind sich einig, dass Einmalzahlungen durch langfristige Unterstützung ersetzt werden sollen. Auch bei der Caritas stellt man die Tatsache, dass einmalige Hilfen nicht den erwünschten Effekt bringen, nicht in Frage. Ganz im Gegenteil: Die Caritas fordert eine Reform im Sozialbereich, die für armutsgefährdete Personen ein Leben ohne Existenzängste sicherstellen soll. Das Augenmerk liegt dabei unter anderem auf nachhaltigen Lösungen im Bereich von Wohnen und Energie oder einem österreichweiten Gesetz zur langfristigen Unterstützung von armutsgefährdeten Haushalten.
Die Befragung illustriert klar, dass Einsamkeit in unserer Gesellschaft ein sehr ernstes Thema ist, das prinzipiell zwar alle Altersgruppen treffen kann, aber insbesondere ältere und einkommensschwache Personen häufig an den Rand ihrer Existenz stellt. Aufgrund der demographischen Entwicklung und Prognosen ist anzunehmen, dass sich diese Problematik in den kommenden Jahren weiter verschärfen wird. Vor diesem Hintergrund bleibt nur zu hoffen, dass einerseits die Politik Maßnahmen gegen die gesellschaftliche Herausforderung einleitet – andererseits ist die Gesellschaft als Ganzes gefragt, Einsamkeit zu enttabuisieren und Betroffene zu unterstützen.
Allein sein ≠ Einsam sein
Alleine zu sein bedeutet nicht zwingend Einsamkeit. Unter Letzterem versteht man einen negativen, unerwünschten Zustand, der aus fehlenden sozialen Kontakten resultiert und den man sich oft selbst nicht aussucht. Entscheidend ist hier die Tiefe der Beziehung. Oftmals erleben Menschen sogar die größte Einsamkeit in Gesellschaft, wenn sie sich zwar unter vielen Leuten befinden oder zahlreiche Bekannte haben, aber zu keiner dieser Personen eine wirklich tiefe Beziehung besteht.
Im Unterschied zur Einsamkeit steht das Alleinsein in einem deutlich positiveren Licht und wird überwiegend mit aussichtsreichen Effekten in Verbindung gebracht: Die Zeit allein, in sozialen Medien auch als „Me-Time“ bekannt, bietet die Chance zur Selbstreflexion, zur Erholung und zur Unabhängigkeit. Die Krux an der Sache: Eine Person kann allein sein und sich damit wohlfühlen, während sie sich unter vielen Leuten einsam fühlt.
Plauderpartner:in im Plaudernetz werden
Du willst Gutes tun, für andere da sein und deinen Beitrag bei der Bekämpfung der Einsamkeit leisten? Dann melde dich jetzt hier als Plauderpartner:in an und nutze diese flexible und niederschwellige Möglichkeit für soziales Engagement. Du musst kein:e Expert:in sein, denn das Plaudernetz dient als Ort für Menschen, die Redebedarf haben und nicht als Notfallhotline. Wichtig ist, dass man Freude am Gespräch hat und sich über neue Kontakte über das Telefon freut. Deshalb brauchst du lediglich ein offenes Ohr zum Zuhören und den Willen, freiwillig etwas Gutes zu tun.