„Hello, my old friend!“ Österreichs Schulen befinden sich erneut in einer Lernsituation mit Homeschooling. Wenn man den Berichterstattungen in den Medien folgt, entsteht oftmals der Eindruck, es handle sich dabei um eine Art Schreckensgespenst. Dubiose Begrifflichkeiten wie „emergency remote teaching“ oder „Blitzdigitalisierung“ werden vermehrt verwendet.

Selbstverständlich impliziert das Thema Homeschooling – auch Distance Learning genannt – unterschiedliche, nur sehr diffizil lösbare, gesellschaftspolitische Aufgaben. Auf diese kann letztendlich hier nicht eingegangen werden. Aufbauend am vorherigen Beitrag mit einer Anleitung für den Einstieg bieten wir nun weiterführende Tipps. Diese sollen LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern beim Distance Learning vor allem methodisch und pädagogisch unterstützen.

Lass uns drüber reden, gerade online

Homeschooling-Szenarien müssen nicht ständig durchdidaktisiert bzw. mit unterschiedlichsten Tools vollgestopft sein. Denn gerade in diesen nicht einfachen Zeiten ist es enorm wichtig, dass abseits des Fachdiskurses auch genug Platz für soziale Interaktion – auch auf digitaler Ebene – ist. So kann ein kurze emotionale „Ist-Stands-Erhebung“ bei jeder Live-Sitzung oftmals Wunder wirken. Wie geht es denn den SchülerInnen? Natürlich geht es hier nicht darum, tief in die Seele der Jugendlichen zu blicken. Denn zu persönliche Fragen nach dem Gemütszuständen eignen sich auch womöglich nicht für den kollektiven Zoom-Teams-Chat. Ziel ist vielmehr, ihnen Zeit zum „digitalen Ein- und Ausatmen“ zu geben und den Raum, um sich ein wenig Frust von der Zoom-Teams-Seele zu sprechen. Darum ist es so enorm wichtig, dass Lehrkräfte auch die synchronen Live-Phasen nutzen. Auch eine kurze Frage nach dem momentanen liebsten Meme oder TikTok-Video kann da schon helfen.

Mut zur Lücke beim Homeschooling

Dass man Stoff beim Homeschooling nur wiederholt, wird den Potenzialen digitaler Medien nicht gerecht. Selbstverständlich unterscheidet sich die analoge Wissensvermittlung und -rezeption bei neuem Unterrichtsstoff oftmals von der digitalen. Aber daher generell zu konstatieren, dass Distance Learning eher ungeeignet zur Wissensschaffung ist, hat weniger mit der Digitalität, sondern vielmehr mit der Art und Weise zu tun, wie man eben digital unterrichtet. Und da gibt es womöglich noch etwas Luft nach oben. Deshalb empfiehlt es sich sehr, Dinge aus dem Lehrplan zu priorisieren. Diese erarbeitet man dann lieber intensiver und versucht nicht, alle Einheiten oder Lektionen gebündelt mit viel zu viel Workload durchzuklopfen.

Erdnussbutter? Erdnussbutter!

Missverständnisse sind oftmals ein Grund, warum sich viele SchülerInnen und auch Eltern in der digitalen Lernumgebung nicht zurechtfinden. Es ist eine Tatsache, dass man digitale Arbeitsaufträge natürlich viel exakter und passgenauer formulieren muss als jene im analogen Setting. Wie wichtig es als Lehrkraft ist, klare und genaue Instruktionen zu geben, zeigt dieses Youtube-Video. Ein Vater leitet darin seine Kinder für ein Erdnussbuttersandwich an. Und man erkennt schnell, wie extrem genau man Anweisungen für ein Erdnussbuttersandwich (Peanut Butter Jelly = PJ) schreiben muss, damit die Informationen tatsächlich klar ankommen. Ähnlich ist es auch im Kontext des Homeschoolings. Die LehrerInnen müssen das Rezept für das PJ-Sandwich also so genau als möglich formulieren. Nur dann können SchülerInnen (und Eltern) damit klarkommen und letztendlich das finale Produkt (PJ = Arbeitsauftrag) korrekt herstellen.

Digitale Wertschätzung ist die wichtigste Währung

Gerade in vermeintlich unpersönlichen, digitalen Settings ist es umso wichtiger, dass die Lehrkraft gemeinsam mit den SchülerInnen und Eltern kontinuierlich kommuniziert. Es ist daher von enormer Wichtigkeit, dass LehrerInnen konstruktives, klar formuliertes und wertschätzendes Feedback zu den abgegebenen Arbeitsaufträgen geben. Denn diese wurden oftmals in intensiver Schwerstarbeit von SchülerInnen (aber auch ihren Eltern) erledigt. Digitale Wertschätzung ist die wichtigste Währung beim Homeschooling! Diese lässt sich z.B. auch auf technisch einfachste Art und Weise im Chat oder Forum bewerkstelligen.

Digital-Detox-Didaktik im Homeschooling

Gerade in Zeiten der Über-Kahoot-ifizierung sollte man als Lehrkraft gelegentlich den Fokus auf einen material- bzw. toolreduzierten Ansatz im Homeschooling legen. Dieser fördert weniger die Digitalität, sondern vielmehr die Verbindung zwischen analogen und digitalen Unterrichtsideen. Bei diesem Ansatz fungiert das Live-Video der Klasse eher als Katalysator für die eigentlichen, für die SchülerInnen oftmals erfrischend abwechslungsreichen, analogen Aktivitäten. Konkrete Beispiele wären demnach zu Beginn jeder Videokonferenz SchülerInnen zu bitten, ihren Klarnamen in eine/n SuperheldIn oder ein Vorbild zu ändern. Danach erklären die SchülerInnen zu Beginn der Live-Session, warum sie sich in Wonder Woman, Harry Potter, Cristiano Ronaldo, Greta Thunberg oder Billie Elish umbenannt haben.

Diese Tipps für Homeschooling verstehen sich natürlich nicht als Plädoyer für die Analogität und gegen das Digitale und umgekehrt, sondern vielmehr als Food-for-thought für sämtliche ProtagonistInnen des Bildungssystems. Denn Unterricht sollte man nicht in Kategorien wie digital ODER analog denken, sondern vielmehr als etwas Dynamisches, sich ständig Änderndes. Und daher braucht es immer das kreative Element, ganz egal ob „old school“ oder „remote“.

Der Beitrag zu Homeschooling entstand in Zusammenarbeit mit Thomas Strasser. Er ist Hochschulprofessor für technologieunterstütztes Lehren und Lernen & Fremdsprachendidaktik an der Pädagogischen Hochschule Wien.
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