Seit der Home-Schooling-Situation im vergangenen Sommersemester hat man medial viel über das Schulsystem im Allgemeinen, aber auch die Erfahrung mit Distance Learning diskutiert. Dabei kamen oft Überlegungen zu kurz, wie Distance Learning auch eine Bereicherung sein kann. Jede Generation wächst mit generationsspezifischen Medien auf. Mit diesen sind die Heranchwachsenden dann besonders vertraut, erwerben entsprechende Umgangsformen und Fähigkeiten. Diese Medien sind Teil ihrer Lebenswelt und der Identifikation. Bei Distance Learning betreten LehrerInnen den Lebensraum der Lernenden, die Welt der Kinder. Dies eröffnet neue Chancen für Lernen.

Lernen mit YouTube & Co als Motivator

Die kürzlich veröffentlichte Allensbach-Umfrage in Deutschland zeigt, dass Schule es nicht ausreichend schafft, Kinder und Jugendliche zum Lernen zu motivieren. Dabei gilt sie als zentraler Ort für das Lernen. Jedoch lernt nur ein Drittel der Befragten gern für die Schule.

Laut Jugend-Internet-Monitor 2020 von Saferinternet.at sind WhatsApp und YouTube auf Platz 1 bei der Mediennutzung von Österreichs Jugend. Danach folgt absteigend Instagram, Snapchat und Facebook. Neu dabei ist auch die soziale Plattform TikTok. Wenn Lernen nun die Medien der Welt der Kinder berücksichtigt, dann bietet dies Chancen für mehr Lernmotivation. Denn kombinieren LehrerInnen Lerninhalte mit YouTube und Co, dann holt man SchülerInnen genau dort ab, wo sie stehen.

Weitere positive Aspekte in der Zukunft sind, dass SchülerInnen über die Lerninhalte mitentscheiden können und auch den Lehrenden Know-how zu den Plattformen vermitteln können. Mitbestimmung und Veranwortung in passenden Dosen fördert erheblich die Lernmotivation, wie Doris Lewalter, Professorin für Formelles und informelles Lernen an der School of Education der Technischen Universität München, erklärt.

Welt der Kinder ist nicht für alle gleich

Es darf aber nicht pauschalisiert werden. Es gibt das Vorurteil, alle Kinder sind Digital Natives und damit technologische Early Adopter. Doch das stimmt so nicht. Zwischen den jungen Menschen gibt es große Unterschiede. Es ist nicht die eine Welt der Kinder, sondern es sind viele individuell unterschiedliche.

Soziale Medien in den Unterricht integrieren?

Die genannten Aspekte sind eine Chance in der Vermittlung, die man in den letzten Jahrzehnten im Schulystem wenig berücksichtigt hat. Die relevante Integration von VHS-Videorekordern und veralteten PCs in den Unterrichtsalltag endete, bevor sie überhaupt richtig begonnen hat. Das allgegenwärtige Smartphone hat die Übergangstechnologien abgelöst.

Soziale Medien lassen sich unterschiedlich leicht im Unterricht einsetzen. Wie erwähnt erfreut sich YouTube unter jungen Menschen sehr hoher Beliebtheit. Die Plattform ersetzt aber nicht nur das lineare Fernsehen, sondern kann auch Lernvideos hosten und komplexe Themen in kurzen Erklär-Snippets zugänglich machen. TikTok braucht dafür kurze 60-Sekunden-Formate. Dafür kann man SchülerInnen motivieren, unterrichtsrelevante Themen in Form von Kurz-Video-Referaten aufzubereiten und kreative Beiträge zu erstellen. Auf Instagram ließen sich Lerninhalte in Form von Shareable Content aufbereiten. Neben der Lernmotivation stärkt man so auch die Kreativität.

Wenn Schule an die Welt der Kinder anknüpft

SchülerInnen tragen in ihren Taschen heute die Werkzeuge zur audiovisuellen Medienproduktion. Und sie haben mindestens theoretisch Zugang zu allem, was überhaupt gewusst werden kann. Distance Learning kann also helfen, diese Potenziale zu nutzen. Dazu muss es gelingen die Plattformen, die von SchülerInnen quasi täglich genutzt werden, edukativ in den Regelbetrieb zu einzubinden. Dann kommt Schule auch in der Welt der Kinder an und wird zum Faktor für gelungenes Lernen. Und mag es LehrerInnen oder Eltern auch unverständlich sein, bei Kindern kommen DirektorInnen, die einen schuleigenen Instagram-Account pflegen einfach gut an. Denn das ist die Welt der Kinder und hier kann man sie erreichen.